In den Semesterferien leert sich Würzburg. In vielen Kneipen bekommt man dann problemlos einen Platz. Da darf die Frage erlaubt sein: Ist Würzburg „nur“ eine Studentenstadt?
Von der Festung blickt man auf ein mit Kirchturmspitzen übersätes Panorama. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne werden vom Main reflektiert und tauchen Würzburg in ein warmes Licht. Wie viele andere genießt auch Christian an einem solchen Abend die Atmosphäre am Flussufer und macht es sich entlang der Promenade gemütlich. Hier kann man sich in Ruhe zu einem Gläschen Wein oder einem munteren Plausch treffen. Auch einen entspannten Spaziergang am Main oder den umliegenden Weinbergen kann Christian nur empfehlen.
Studentenstadt durch und durch
Oft sind es junge Menschen, die man am Abend an der Mainpromenade trifft. Das ist nicht allzu verwunderlich in einer Stadt, in der es neben der Universität auch eine Fachhochschule und eine Musikhochschule gibt.
Für viele Menschen aus der Region ist die Gemeinschaft von Würzburg und Universität eine alltägliche Realität. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Wurzeln der Julius-Maximilians-Universität bereits 600 Jahre zurückliegen. Über diesen Zeitraum haben die Universität und ihre Studenten zur Entwicklung der Stadt beigetragen.
Die aktuelle, statistisch erfasste Gesamtanzahl der Studenten beläuft sich auf die stattliche Summe von 34.959 (Stand Wintersemester 2017/18). Das ist circa ein Viertel der gesamten Einwohnerzahl des Stadtkreises Würzburg. Schaut man etwas genauer hin, stellt man fest, dass die knapp 35.000 Studenten 40 Prozent der Einwohner im arbeitsfähigen Alter (18-64 Jahre) stellen.
Aber ist Würzburg deswegen eine reine Studentenstadt – oder hat sie noch andere Charakterzüge zu bieten?
Noch vor wenigen Jahren war auch Christian an der Uni. Er hat Physik studiert, mit Diplom abgeschlossen und anschließend promoviert. In all der Zeit hat er Würzburg lieben und schätzen gelernt. Für ihn ist Würzburg eine Stadt, die eindeutig vom Studentenleben geprägt ist.
Zum Beispiel haben Theater, Kinos oder Bars dauerhafte Angebote, die auf die Zielgruppe der 20- bis 30-jährigen Studenten zugeschnitten sind. Allerdings betont der junge Mann aus Fulda, dass Würzburg für ihn keine reine Studentenstadt ist. Würzburg sei “klein genug um als Studentenstadt bezeichnet zu werden, aber dennoch groß genug, dass sie auch ohne ihre Studenten funktioniert und kulturell eigenständig ist.”
Dabei vergleicht er Würzburg mit anderen Städten, in denen relativ zur Einwohnerzahl viele Studierende leben. Würzburg ist ein grüner, sonnig gelegener Ort, der sich zusätzlich zu seinem Kleinstadt-Charme und seinen Studenten auch auf eine kulturell bedeutsame Geschichte stützen kann.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Im Jahr 742 nach Christus gründete der Missionsbischof Bonifatius das Bistum Würzburg. Die aufstrebende Mittelstadt Würzburg und das umliegende Land wurden durch zahlreiche Orden und Klöster unter der Förderung Karl des Großen kultiviert. So rückte Würzburg im Lauf der Zeit immer wieder in das Zentrum des geschichtlichen und politischen Geschehens in Deutschland.
Zum Beispiel tagten hier wichtige Reichs- und Kirchenversammlungen, in denen über Kreuzzug und Papstwahl beraten wurde. Aber nicht nur die Großen des Landes versammelten sich hier mit Vorliebe. Auch viele Künstler, wie der Dichter und Sänger Walter von der Vogelweide oder der Bildhauer Tilmann Riemenschneider hinterließen ihre Spuren.
Ein Baumeister des Barock und Rokoko, Balthasar Neumann, schuf mit der Residenz ein wahres Meisterwerk und Aushängeschild. 1981 wurde sie sogar zum Weltkulturerbe erklärt.
Die weitreichende Kultur und Geschichte macht Würzburg seit jeher zu einem beliebten Touristenstandort. Der Besucherstrom stieg in den letzten Jahren weiter an. Neben der Tourismusbranche kann der Landkreis Würzburg auch mit einer hohen Arbeitsplatzdichte und einer guten infrastrukturellen Lage aufwarten. 2016 bewertete der Zukunftsatlas des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos die Region Würzburg mit “hohe Zukunftschancen”.
Auch Christian kann sich im Bezug auf die Arbeitsfindung positiv äußern. Nach seiner Promotion hat er aus persönlichen Gründen vorerst in einem Umkreis von 100 Kilometer nach einer Arbeitsmöglichkeit gesucht: “Ich fühle mich in Würzburg sehr wohl und auch fast mein kompletter Freundeskreis befindet sich hier.” Wenn Christian die Wahl hätte, würde er Würzburg wieder anderen Städten vorziehen.
Er ist nun in Würzburg am Kunststoffzentrum SKZ als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt. In unmittelbarer Nähe zu Würzburg gibt es hauptsächlich kleinere und mittelgroße Unternehmen, die natürlich auch Interesse an Universitätsabsolventen haben.
Doch Würzburg ist auch für Jungunternehmer spannend. Das IGZ Würzburg (Innovations- und Gründerzentrum) und das TGZ Würzburg (Technologie- und Gründerzentrum) ermöglichen Weiterbildungen und bieten Unterstützung für Unternehmensneugründungen.
Lächelnd lehnt sich Christian auf der Bank am Main zurück und lässt den Blick vom Wasser hoch zur Mainbrücke und Festung schweifen: “Wenn ich mich noch einmal entscheiden müsste, dann würde ich wieder in Würzburg studieren.”
Von Cyndia Rieper