Studieren, wo andere Fußball schauen: Kevin hat ein Semester in Liverpool verbracht.
Wenn Kevin Kronenwetter über sein Auslandssemester in Liverpool berichtet, gerät er schnell ins Schwärmen: “Die Menschen dort empfinden eine tiefe Verbundenheit zueinander.” Das Lebensgefühl der historischen Stadt im Nordwesten Englands hat es ihm angetan. Liverpool wurde während seines Auslandssemesters im Winter 2017/2018 zu Kevins Heimat.
Hilfsbereit und freundlich
Liverpool, am Mersey River und an der direkten Westküste Englands gelegen, war im 19. Jahrhundert der Dreh- und Angelpunkt des europäischen Welthandels, aber auch vieler Auswanderungen nach Amerika, Australien und Neuseeland. Der Handel brachte den Wohlstand in die Stadt. Doch spätestens nach dem 2. Weltkrieg baute dieser stetig ab. Arbeitslosigkeit und Armut ließen die Menschen leiden, aber auch zusammenrücken. “Ich habe selten so eine hilfsbereite und freundliche Gesellschaft erlebt”, sagt Kevin. “Auch wenn die letzten Generationen durch Krisen gegangen sind, haben sie sich menschlich davon nicht beeindrucken lassen.”
Für Liverpool entschieden hat sich Kevin aber aus anderen Gründen. Die große Sympathie zu England spiegelt sich in seinem Zimmer wieder, in dem der Big Ben in einem gerahmten Poster an der Wand hängt. “An England gefällt mir vieles. Die Kultur, die Geschichte, vor allem auch der Fußball. Dass die Menschen so positiv sind, hat sich für mich erst im Nachhinein herausgestellt”, sagt Kevin.
So kam es ihm zugute, dass die Universität Würzburg mit der University of Liverpool kurz vor Beginn seines Auslandssemesters eine Partnerschaft einging. Für Kevin war der Entschluss da bereits gefasst: “Viele Studenten können das vielleicht nicht verstehen, aber die Wahl zwischen Liverpool und Madrid fiel mir letztendlich leicht.”
Kevin ist kein Fan davon, dass zu tun, was gerade hip ist. Spanien, mit seinem warmen Wetter und dem mediterranen Flair, ist als Erasmus-Ziel in den Studenten-Statistiken schon lange an erster Stelle. Wenn Kevin jedoch Pläne hat, dann möchte er sie auch genauso in die Tat umsetzt. Nichts läge ihm ferner als sich in privaten Entscheidungen von der Meinung anderer beeinflussen zu lassen.
Die Universität in Liverpool
Die Universität in Liverpool selbst beschreibt er als einen Campus aus historischen und modernen Gebäuden, die sich mitten in der Stadt befinden: “Die Wohnheime stehen auf dem Campus, so dass man in zehn Minuten in den Hörsälen ist.”

Die Integration in den Uni-Alltag und die Freizeitprogramme gelang ihm mühelos. Er erzählt von verschiedenen Vereinen, sogenannten Societies, denen er beigetreten ist. Die Rock Society beispielsweise veranstaltet Ausflüge und Zusammenkünfte rund um die Musik, in denen man sehr schnell Kontakte zu den einheimischen Studenten knüpfen kann: “Man ist nicht nur mit Erasmus-Studenten in einem separierten Programm zusammen, im Gegenteil!”
Kevin beschreibt den Universitäts-Alltag als organisiert. Er lässt durchblicken, dass man sich in manchen Dingen jedoch ein Beispiel an Würzburg nehmen könne. Der bürokratische Aufwand, um eine Vorlesung zu besuchen, sei in Liverpool enorm. “Es gab ständig Anwesenheitslisten und Studierendenausweis-Kontrollen. Außerdem wurden wir aufgefordert eine SMS mit Studentennummer und Code zu senden, alles nur um die Anwesenheit festzustellen”, sagt Kevin.
Wer Kevin kennt, der weiß, dass ihm so etwas nicht leichtfällt. Vor seinem Studium hat er eine Ausbildung zum Anwendungsentwickler abgeschlossen und anschließend für mehrere Jahre als Consultant gearbeitet. Vieles musste er sich dabei selbst aneignen. Er ist ein freiheitsliebender Mensch und hat keine Probleme damit, sich selbst zu organisieren. Das möchte er auch in seinem Studium so haben.
Umso besser gefiel ihm hingegen der praxisorientierte Unterricht in Liverpool, zum Beispiel in Business Finance: “Wir haben dort gelernt, wie Unternehmensbewertungen in der Praxis erstellt werden.” Kevins Dozent war ein ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bank aus dem Bereich Mergers & Acquisitions. “Die Praxiskompetenz dort ist wirklich beispielhaft”, sagt Kevin.
Das Leben in Liverpool
Die Freizeit kam trotz allem nicht zu kurz. Ist der Arbeitstag erst mal geschafft, geht man in Liverpool an den Concert Square oder in die Matthew Street. Kneipen, Live Musik, Sportbars und Restaurants prägen die Erlebnisviertel in Liverpool.
Als echter Fußball-Fan ging es für Kevin natürlich auch ins Anfield, das berühmte Stadion des FC Liverpool. Schmunzelnd berichtet Kevin, wie beim Top-Ligaspiel Liverpool gegen Chelsea Jürgen Klopp beim späten Ausgleich durch Chelsea an der Seitenlinie tobte: “Ich wäre gerne öfter ins Stadion gegangen, leider bin ich aber kein Dauerkartenbesitzer und die Preise für ein Ticket sind sehr teuer.”
Überhaupt ist das Leben in Liverpool teuer. Die Mieten für ein Wohnheim-Zimmer liegen zwischen 500 bis 700 Euro. Das ist wesentlich mehr als in Würzburg. Finanzielle Unterstützung erfuhr Kevin durch ein Erasmus Stipendium.
Insgesamt ist Kevin sehr glücklich mit seinem Aufenthalt in Liverpool. “Ich möchte meine Zeit in England nicht missen,” schwärmt er. Man merkt ihm an: Diese Stadt und ihre Menschen im Norden Europas haben sehr viel mehr zu bieten, als man annehmen würde.
Von Maximilian Weickenmeier