Vor einer riesigen bunten Bücherwand sitzt Professor Dr. Dirk Kiesewetter an seinem Schreibtisch. Der Raum ist hell und freundlich, es herrscht eine angenehme Atmosphäre. Der Professor strahlt eine gewisse Ruhe und Zufriedenheit aus. Grüne Pflanzen zieren das Büro und auf dem Tisch steht eine Schale mit Obst. „Kann ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten?“ Kiesewetter weiß, wie man eine angenehme Grundstimmung schafft.
Dirk Kiesewetter stammt aus Radolfzell am Bodensee. Nach dem Abitur leistete er den zweijährigen Dienst bei der Bundeswehr und zog anschließend nach Tübingen, um dort zu studieren. Dass sein Weg ihn irgendwann in die betriebswirtschaftliche Steuerlehre führen würde, war nicht von Anfang an klar. „Noch als Abiturient wollte ich Diplomat oder Entwicklungshelfer werden.“ Deshalb entschied Kiesewetter sich auch für den Studiengang VWL mit Schwerpunkt Regionalstudien und wählte die Kombination VWL, Russisch und Geschichte. Erst während des Studiums entwickelte er sich in Richtung Steuerlehre. Er entschied sich anschließend auch zu einer Promotion an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.
Vom sicheren Ufer ins Haifischbecken und zurück
Nach seiner Promotion arbeitete Kiesewetter drei Jahre lang bei der Unternehmensberatung McKinsey. Als Associate Consultant und anschließend als Projektleiter hat der heute 49-Jährige Banken und Versicherungen zu Unternehmensstrategie und Corporate Finance beraten. In einer so hochkarätigen Unternehmensberatung könne man in kürzester Zeit unheimlich viel lernen, so Kiesewetter. Doch genau dieser Job sei für ihn auch ausschlaggebend dafür gewesen, wieder zurück in die Forschung zu gehen. „Ich habe in den drei Jahren gemerkt, dass ich in dieser Liga mitspielen kann, dass das aber auf ein Leben zusteuert, das ich nicht führen will.“ Die Entscheidung als Assistent wieder an die Universität Tübingen zurückzukehren, fiel ihm nicht schwer. Nach seiner Habilitation dort, folgte er dem Ruf der Universität Magdeburg, bis er vor fast zehn Jahren schließlich nach Würzburg kam. Hier ist er bis heute Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre.
„Was mich an der Forschung so motiviert, weiß ich selber nicht genau. Es macht einfach Spaß“, so der Professor lachend. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Er wirkt geerdet, zufrieden. „In Unternehmen kann man auch mit Menschen zusammenarbeiten, aber das ist dort immer vielmehr Mittel zum Zweck. An der Uni ist es der Zweck an sich, junge Menschen durch ihr Studium zu begleiten.“ Er genieße es, Menschen in ein Thema einzuführen und zu beobachten, wie sie anfangen, sich über Themenbereiche Gedanken zu machen, die ihnen vorher vielleicht verschlossen blieben. „Das gibt mir viel mehr als die Beschäftigung mit irgendeinem abstrakten Produkt.“
Einfach ein gutes Team
Sich einfach mal einer Frage zu widmen, die einen interessiert und zwar ohne Zeitdruck, das stelle das Besondere an der Arbeit als Wissenschaftler dar, erklärt Kiesewetter. Vor allem, wenn sich der Erfolg bemerkbar macht. So wie sein jüngstes Projekt im letzten Jahr: Ein Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Finanzen. In einem Team bestehend aus drei Assistenten, die gerade an seinem Lehrstuhl an ihrer Dissertation arbeiteten, einem alten Freund aus seiner Lehrstuhlzeit in Tübingen und dessen Beratungs-Unternehmen erstellten sie ein Gutachten zur Besteuerung der Betrieblichen Altersvorsorge. „Wir hatten so viel Erfolg mit dem Gutachten, wie man normalerweise als Politikberater nicht hat“, erklärt Kiesewetter mit leuchtenden Augen. Das Ministerium habe in seinem Gesetzesentwurf fast alle Vorschläge übernommen, die der Professor und sein Team erarbeitet hatten und auch Bundesrat und Bundestag haben zugestimmt. Seinen Stolz sieht man Kiesewetter an, doch er betont immer wieder, dass das nicht sein eigener Verdienst war: „Wir waren einfach ein gut aufgestelltes Team.“
Kein Fluchtreflex
Auch das Leben in Würzburg genießt der Professor sehr. Die Entscheidung, von Magdeburg nach Würzburg zu wechseln, sei eine Mischung aus fachlichen Überlegungen und dem Wunsch gewesen, wieder zurück in den Süden zu kommen. Direkt nach Würzburg zu ziehen, das stand für Kiesewetter außer Frage. Man würde sonst einfach zu viel verpassen. „Würzburg ist klein und wenn ich Straßenbahn fahre, denke ich, da sitzen 20 Leute, die mich kennen und ich kenne sie nicht. Das ist komisch, aber man muss ja nicht Straßenbahn fahren.“ Auch die Uni gefalle ihm gut, er habe Kollegen, mit denen er gut zusammenarbeiten könne.
Von Franziska Lamp