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„Das muss man sich mal vorstellen: ich durfte sonntags manchmal den einzigen Computer in der ganzen Universität benutzen, wenn niemand damit arbeiten musste" – Thome über seine frühe Auseinandersetzung mit Datenverarbeitung. Foto: Patricia Schätzler

“Dafür lohnt es sich auch, wenn die Leber immer wieder von einem Adler gefressen wird“

Schon bevor der Begriff „Start-up“ Einzug ins Deutsche hielt, gründete Rainer Thome in Würzburg mehrere Unternehmen. Was man dazu braucht? Neben guten Ideen vor allem Zielstrebigkeit, Neugier und Kreativität.

Rainer Thome kommt aus Baden-Württemberg – und das hört man auch. Den letzten dreißig Jahren in Würzburg zum Trotz spricht der Professor mit einer badischen Färbung, wenn er sich erinnert: “In meiner Jugend wollte ich Archäologie studieren, der Traum resultierte wohl aus der Ausbildung in einem humanistischen Gymnasium sowie Reisen nach Griechenland und Italien mit meiner Familie”. Aufgewachsen in Karlsruhe war Thome so heimatverbunden, dass er sich schließlich zu einem Studium der Volkswirtschaftslehre in Heidelberg entschied. Damals hatte die Informatik mit den Wirtschaftswissenschaften noch keine Berührpunkte. Doch nach zwei Semestern weckte der Computer des deutschen Krebsforschungszentrums sein Interesse. In der Veranstaltung “elektronische Datenverarbeitung” wollte der Student mehr über die neue Technik erfahren.

„Avus rarus“ – ein seltener Vogel

Thome ist es gewohnt, dass man ihm zuhört und redet gerne – das gibt er selbst zu. Gestikulierend ahmt er den Aufschrei des Professors nach, als dieser feststellte, dass sich ein einzelner Student tatsächlich für das Thema Datenverarbeitung interessierte. Jener Professor Wagner begleitete Thome auf seiner akademischen Laufbahn. Die Bildung in einem humanistischen Gymnasium haftet ihm an, sodass er sich selbst auch als “avus rarus”, also als seltenen Vogel bezeichnet und Prometheus als Vorbild für die Menschheit sieht.

Denn Prometheus steht für ihn für unbedingten Fortschritt. Schließlich galten in den sechziger Jahren Programmentwicklung und elektronische Datenverarbeitung in der Bevölkerung noch als Fremdwörter. „Das muss man sich mal vorstellen: ich durfte sonntags manchmal den einzigen Computer in der ganzen Universität benutzen, wenn niemand damit arbeiten musste,“ erzählt er lachend. Nach dem Studium promovierte Rainer Thome in den Fächern Logistik und Informationsverarbeitung. Nach seiner Habilitation führte ihn ein Ruf an die Universität Hamburg, auch in Heidelberg arbeitete er weiter parallel. Doch da es ihn zurück in den Süden zog, nahm Thome im Jahr 1981 den Ruf der Universität Bamberg an. Nach Würzburg kam er 1986, wo er auch heute mit fast siebzig Jahren regelmäßig Vorlesungen hält.

Das Rezept für das eigene Unternehmen

Der berufliche Werdegang lässt die Zielstrebigkeit von Rainer Thome erkennen. Während des Gesprächs lehnt er sich jedoch entspannt in seinem Stuhl zurück, den Arm auf der Lehne des Nachbarstuhls. Mit Nachdruck gestikuliert er und seine Augen funkeln, wenn er über seine Arbeit und seine Ideen spricht. Dabei sei es von Vorteil, nicht immer in den gewohnten Denkmustern zu bleiben, sagt Rainer Thome. Ihm glaubt man das aufs Wort, denn so wie ihn die Entwicklung früher Computer faszinierte, steht ihm die Neugier des jungen Erwachsenen auch heute noch ins Gesicht geschrieben.

Wissbegierde und Innovation sind der Antrieb, durch den Thome vier Firmen in Würzburg mitgegründet hat: die IBIS Prof. Thome AG, MULTA MEDIO Informationssysteme AG, die Administration Intelligence AG sowie die SYSTHEMIS AG. In einer Vitrine in der Ecke seines Büros sammelt Professor Rainer Thome die Schätze aus vergangenen Zeiten. Statt antiker Vasen sammeln sich hier Ringspeicher und alte Festplatten. Es scheint, als wolle er sich stets vor Augen halten, wie schnell die Technik sich heutzutage entwickelt.

Effizienz in jeder Lebenslage

Der Einfallsreichtum zeichne sich auch in seinem Privatleben ab, erklärt er. „Ich habe meine Schuhe so gebunden, dass ich sie nicht jedes mal auf- oder zumachen muss. So spare ich viel Zeit, indem ich einfach mit einem Schuhlöffel hineinschlüpfe.“ Während Thome das sagt, hebt er schwungvoll seinen rechten Schuh auf den Tisch. Dessen Schnürsenkel sind so gebunden, wie man es heutzutage bei Sportschuhen kennt. Auch in anderen Bereichen des Alltags versucht er stets, Abläufe zu verbessern. Dazu gehört neben dem Backen von Pfannkuchen mit zwei Pfannen auch der Besitz von zwei Spülmaschinen. „Finanziell macht es fast keinen Unterschied, ob man einen Schrank oder eine Spülmaschine kauft“, erklärt der Ökonom. „Aber dadurch spart man den Arbeitsschritt, das saubere Geschirr jedes Mal in den Schrank zurück zu räumen, bevor man es von dort wieder zum Tisch bringt.“

Hinter der randlosen Brille wirkt es, als würde sein Geist ständig arbeiten. Er denkt wohl über alle Probleme gleichzeitig nach, die ihm in den Sinn kommen. Dabei sei keine Herangehensweise zu abwegig um sie nicht doch mit einem Streifzug der Gedanken zu berücksichtigen. „Vielleicht brachte mir das ja meine Schulbildung, in der ich mich durch Latein und Griechisch kämpfen musste,“ sagt Thome augenzwinkernd.

Aktuell beschäftige er sich mit Sensoren, die in mittelständischen Unternehmen zur Kontrolle von reibungslose Produktionsabläufe eingesetzt werden sollen. Für ihn ist es wichtiger volkswirtschaftliche Probleme zu lösen, als bei einem geselligen Schoppen Wein zu sitzen. Und schon ist er auf dem Weg zum nächsten Projekt, um unsere Welt noch ein wenig effizienter zu machen. Im Flur bleibt er noch einmal kurz vor einem Bild des Prometheus auf der Sanderuni stehen: „Deshalb sehe ich besonders auch Prometheus als Vorbild: Der Mensch muss nach Fortschritt streben. Dafür lohnt es sich auch, die Leber immer wieder von einem Adler gefressen zu bekommen.“

Von Patricia Schätzler