Vom Zimmer aus in die Welt – Auslandssemester im Zeichen der Corona-Pandemie

Ein Semester im Ausland verbringen, für viele Studierende das unangefochtene Highlight ihres Studiums. Eine andere Kultur entdecken, neue Menschen kennenlernen, gemeinsam studieren und auch feiern. Doch was, wenn all diese in den Hintergrund gedrängt wird? Wenn die Frage, ob und wie es überhaupt weiter geht, auf einmal im Vordergrund steht?

von Anne Sambeth

Drei Möglichkeiten bietet die Universität Würzburg für einen Auslandsaufenthalt: So können Studierende das Erasmus- Programm der EU nutzen, an einer der Partneruniversitäten weltweit studieren oder ihren Aufenthalt in Eigenregie, als sogenannte ‚Freemover‘, planen. Gleiches gilt für hunderte ausländische Studierende, die sich jedes Semester an der Universität Würzburg einschreiben. Der populärste Weg ins Ausland geht dabei über das Erasmus-Programm. Im akademischen Jahr 2018/19 haben allein 33.282 Studierende aus Deutschland diese Möglichkeit genutzt. Ganz oben im Ranking der beliebtesten Ziele stand Spanien, gefolgt von Frankreich und Großbritannien, das brexitbedingt 2021 aus dem Programm ausscheidet. Im Gegenzug nutzten 21.220 Studierende das Programm im gleichen Zeitraum für einen Aufenthalt in Deutschland. Doch 2020 scheint alles anders zu sein. Viele Länder haben ihre Universitäten aufgrund der weltweiten Corona- Pandemie geschlossen, komplette Semester spielen sich online ab.

Verschieben, weitermachen, absagen? Die Fragen der Stunde

Das Erasmus Student Network, kurz ESN, hat im März 2020, zu Hochzeiten der Pandemie, eine europaweite Umfrage unter Austauschstudent*innen durchgeführt. 65% der rund 20.000 Teilnehmer*innen berichteten, ihr Austausch finde wie geplant statt, für ein Viertel endete er frühzeitig. 40% der Studierenden waren vorzeitig nach Hause zurückgekehrt, 42% blieben hingegen im Ausland.Auch Anna, Studentin aus Russland an der wirtschafts- wissenschaftlichen Fakultät in Würzburg, stand vor der Frage: Verschieben, zuhause bleiben und online Kurse belegen oder nach Würzburg kommen und vom Wohnheimzimmer aus studieren. Sie entschied sich für letzteres. „Ich wusste nicht wie die Situation im Frühjahr aussehen würde und wollte so schnell wie möglich ins Ausland“, so die Marketingstudentin. Anfang November 2020 kam sie in Würzburg an. Auch für sie spielt sich das Semester weitestgehend virtuell ab, das langweile sie aber nicht, daran sei sie bereits gewöhnt. Ihre Entscheidung, nach Würzburg zu kommen, hat sie trotzdem nicht bereut: „Mein bester Moment bis jetzt war die Wanderung mit der ESG Würzburg [Evangelische Studentengemeinde]. Es war eines der wenigen Events, bei dem ich neue Leute ‚offline‘ treffen konnte.“

Wichtig: Zielgerichtete Unterstützung und Informationen

Die Corona-Pandemie stellt sie wie viele Austauschstudent*innen in einem fremden Land vor organisatorische und emotionale Herausforderungen. Es ist deswegen umso wichtiger, Informationen und Unterstützung speziell für ihre Bedürfnisse bereitzustellen. Die Umfrage des ESN zeigt jedoch, 42% der Befragten haben sich durch ihre Gastgeberuniversität nicht ausreichend unterstützt gefühlt. „Als ich angekommen bin, habe ich zunächst nur Unterstützung von meinem Nachbarn, unserem Hausmeister und ein paar Freunden aus meinem Deutschkurs bekommen“, erzählt Anna. Eine wichtige Hilfe sind deshalb ehrenamtliche Studierendenorganisationen wie das Buddy- Programm für internationale Studierende der wirtschafts- wissenschaftlichen Fakultät. Seit Beginn der Pandemie gibt es neben den klassischen Orientierungsveranstaltungen Game Sessions und Beer Tasting via Zoom. Auch Anna steht ein ‚Buddy‘ zur Seite: „Sie hat mir viele Fragen über das Leben in Deutschland und die Anmeldungen für Kurse an der Universität beantwortet. Wir haben uns via Zoom verabredet als ich noch in Russland war und das hat mir geholfen, mich sicherer zu fühlen.“

In Zukunft noch mehr Menschen einen Austausch ermöglichen

Wie wird es in Zukunft mit Austauschprogrammen weitergehen? Das aktuelle Erasmus-Programm läuft mit Ende 2020 aus. Doch das Europaparlament unterstreicht im neuen Finanzrahmen 2021- 2027 dessen Bedeutung. Das Budget für das Programm wird mit 26 Milliarden Euro rund zehn Milliarden Euro höher sein als im vorherigen Zeitraum. Zudem soll es nach Willen des Parlamentes digitaler und nachhaltiger werden. Ziel ist es, noch mehr Menschen die Möglichkeit eines interkulturellen Austausches zu bieten. Bis es soweit ist, hat Anna noch einen Tipp an alle zukünftigen Austauschstudenten*innen in Zeiten der Corona-Pandemie: „Ich würde allen empfehlen, unbedingt offen zu sein für neue Angebote und Events, die trotzdem stattfinden“.